Hans Gottlob Rühle
NATURLYRIK
Marburger-Vogelwelt

HANS GOTTLOB RÜHLE - GEDICHTE
NATURLYRIK

TRAUER

Im Lichten Hain,
dort,
ein vermooster Stein.

Der Waldboden hat
sich mit tausend
Anemonen geschmückt.

Doch meine Trauer ist
durch tausend Blüten
nicht verrückt.

Nur deine Melodie
schenkt Trost.
Träume wachsen
aus den Wurzeln
der Bäume ringsum.

Und Melancholie
bricht den Granit.

EINSAMKEIT

Noch ist das Blut
in meinen Adern
kalt,
doch schon bald
bringen Brombeerknospen
ersten Frühlingsdurft.

Aus dem Osten
seegeln weiße
Traumgebirge.

Ich liebe ihre
lautlose Botschaft,

denn aus ihnen
tropft Sonnenschein
hinein in meine
Einsamkeit.

ODE AN MEINEN HUND

Im Bergwind
ächzen
die Krüppelkiefern.

Die rollenden Wellen
im See der
Harmonie
zerstören mein
heiteres Spiegelbild
und bleichen meine Wangen.

Auf dem Felsvorsprung
im Abendlicht
lausche ich
mit Bangen
dem Sturmgesang.

Die Sonne,
im Geflecht ferner
Strommasten gefangen,
leuchtet kalt.

Mich friert.

Nur mein
knurrender Hund
gibt mir noch
Halt,

spendet ein wenig
Wärme und
Zuversicht.

HOFFNUNG

Heute nacht
heulte der Winterwind
noch einmal
durch das Geäst der
schneemüden Kiefer.

Doch mit des Tages
erstem Licht
blinzelt
die Frühlingssonne
verheisungsvoll vom
fernen Himmelssaum.

HERBST

Nebelsonne
über dem Herbstwald.
Kiefernwipfel
recken sich
- schemenhaft.

Waldvogel -
wird Sie dein
klagendes Zwitschern
noch einmal
erhören?

ELTERNHAUS

Zu Hause vor dem Fenster
blühte jetzt der
Pfirsichbaum.

Und unser kleiner Hund
bellte bis zu seinem
Jägertraum.

Die Katze schielte
zum Vollmond,
der Löwenzahn, er lacht.

Er warme Frühlingsregen,
er trommelte
ganz sacht.

Ich sitze in der Fremde
allein auf einer Bank.
Wenn ich an damals denke,
bin ich fast seelenkrank.

FRÜHLING

Der Frühling geht über das Land.
Ich fühle seine Hand
im Sonnenschein.

Ich spüre seine Kraft im Duft
des Kirschlorbeers.

In den Wiesen wandern
Krokusschatten auf neuen Wegen.

An den Ästen läßt das Vogelgezwitscher
die Knospen platzen.

Nachdenklich sehe ich die ersten
Kirschblüten im Winde verwehen.

- Warum willst du nur so schnell vergehen?

TRÄUME

Wandern im
Karwendelkarst.

Hochwald,
Latschen,
Gipfelblick.

Einzian und Kuhenschelle.
Dunkles Kreuz vor Himmelblau.

Aufsteigen,
um abzusteigen.
Absteigen, um
wieder hochzuziehen.

Sag,
wo werden einst
meine Träume
enden?

SEELEN-LANDSCHAFT

Da schrie ein Vogel
über den Wipfeln
weitab von aller menschlichen Behausung.

Er schrie
so schmerzlich in die
gelben Felder. Das kalte Licht
des frühen Tages blendete
im Spiegel seiner Seele.

Und ein Zittern
erfaßte seine weiten Schwingen.

Das schmale Wasser
benetzte leise
die Schattenränder.

Als das zerrissene Geschöpf
im Zwielicht des Waldsaums
seine Zuflucht fand.

- SEELEN-LANDSCHAFT

KNOSPEN

In Freiheit schleudern Dich
die Götter. Mit ihrer Macht
zwingen sie zum Aufbruch
auch, die im Dunkel geronnen.

Die Sonne drückt neues Leben
aus schwarzem Erdengrund.
Nicht fragend, was Du einst verloren,
ob Deine Seele noch wund.

Den schützenden Mantel verlassen
die Knospen im Frühlingsschimmer.
Gefahr und Zukunft verachtend,
kühn doch ohne Gewimmer.

Lern Du den Pfad zu gehen,
den diese Freiheit Dir schenkt.
Freun auch auf die Tage, in die
ein dunkles Schicksal lenkt.

HOCHWASSER ZWISCHEN SCHNEE

Breit wälzt die Lahn
Ihr braunes Wasser
Zwischen verschneiten,
Weißbrachigen Ufern dahin.

Den dicken Bauch
Voll sämigem Brei,
Den Äckern entrissene
Fruchtbarkeit.

Der aufgedunsene,
lange Leib
Unruhig sich windet,
schlangengleich.

ZERBRECHLICH

Zwinge den Fluß in eine Form -
und er antwortet mit Hochwasser.

Zwinge Deine Gedanken in eine Form -
und sie erstarren.

Zwinge Deine Kinder in eine Form -
und sie werden sich von Dir abwenden.

Zwinge die Gesellschaft unter Deinen Willen -
und sie erstarrt.

Zwinge Dich selbst in eine Form -
und Du wirst zerbrechen.

TRAUMWELT

Nach Hektik und Arbeit
wieder zu Hause,
- träum ich.

Auf grünen Wiesen,
in Sommergewittern
liegen und lachen.

Dem tiefen Grollen,
Blick in den Himmel
- noch lange lauschend.

FRÜHER MORGEN

Des letzten Schauers
Rinnsale sind
noch nicht versickert.

Schon steigt aus den
Auen zart der
Nebel

zwischen ersten
Sonnenstrahlen
empor -
welch ein Morgen ...

Der Gesang der Schmetterlinge
streichelt den Beton
und stimmt ihn weich.

Ich sah die Wildgänse ziehen,
hoch am Himmel fort.
Nach Freiheit duftet die Nacht.

Beim Straßenkehren lausche
Ich dem Gesang der
Amseln und ihrem Lächeln.

“Summertime”

In den Tagen des Sommers
spürst Du den
Flügelschlag der Libellen.

In den Augenblicken
des Sonnenuntergangs
hörst Du Gesang

und ahnst den fernen Rhythmus
des Tanzes.

LEBEN

Illusion ist
das Leben.

Der Augenblick allein
ist es wert,
gelebt zu werden.

Freue Dich
dieser Stunde
und vergiß,
wie bald der Schein
des silbernen Mondes
über dem Birnbaum

dem unerbittlichen
Tageslicht
weichen
muß.

EINSAMKEIT

Noch ist das Blut in
meinen Adern kalt.

Doch schon bald
bringen Brombeerknospen
ersten Frühlingsduft.

Aus dem Osten
segeln weiße
Traumgebirge.

Ich liebe ihre
lautlose Botschaft,

denn aus ihnen tropft
Sonnenschein,
hinein,
in meine Einsamkeit.

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