Hans Gottlob Rühle
ZEN
Marburger-Vogelwelt

HANS GOTTLOB RÜHLE - GEDICHTE
ZEN

NIRWANA

Den Sehenden betört
nicht die Pracht und
der Schein.

Weder Glück, noch
Erfolg kann ihm
ein Lächeln
entreißen.

Kein Schmerz peinigt
ihn und kein
Verlust.

Gereift ist sein Herz
und sein Geist steht
gleichmütig über der
Welt und ihren Lehren

Und nichts
berührt
und nichts
versucht
ihn mehr in
seinem Sein.

STILLE DES ZEN

Im Hof liegen ringsum noch
die gefallenen, gelben Blätter
des grazilen Gingkobaumes.

Noch hat kein Tritt die Erde geweckt,
kein Fuß das Gras zertreten,
kein Schreiten den Tau verwischt

- und Stille
  ist in mir
  eingekehrt

WENN DU ...

Wenn Deine Beine versagen
Und Dein Rollstuhl Dich begrenzt
- Dann wandere,
Wandere hinaus mit Deiner ganzen Seele.

Wenn Dein Augenlicht erloschen
Und Du im schwarzen Meer ertrinkst
- Dann fliege,
Fliege hinauf zu den Sternen.

Wenn Deine Zunge verdorrt
Und die Geschmacklosigkeit Dich ekelt
- Dann genieße,
Genieße mit all Deinen Sinnen.

Wenn die Luft vergiftet
Und Deine Lunge verätzt
- Dann atme,
Atme tief mit Deiner ganzen Seele.

Wenn Dein Bogen zerbrochen
Und Du keine Pfeile mehr besitzt
- Dann schieße,
Schieße mit Deiner ganzen Seele.

Wenn Dein Liebster verblichen
Und Du tief im Eis erstarrt
- Dann liebe,
Liebe heiß mit Deinem ganzen Herzen.

Wenn die Trauer Dein Herz erdrückt
Ihre Krallen Deine Seele zerschneiden
- sei wohlgemut,
Freue Dich mit Deinem ganzen Sein.

BESITZ

Was ist Besitz?
Ein Netz über
die Seele geworfen,
das sie am Boden fesselt.

Nichts kannst Du
wirklich besitzen.
Drohend steht
der Schatten der Vergänglichkeit

schon hinter Dir.

TRAURIG

Rühre nicht daran!

Auf dem Bambusgras
laß noch ein Weilchen
den Tau

wie die Tränen
auf Deiner Wange

FRÜHER MORGEN

Des letzten Schauers
Rinnsale sind
noch nicht versickert.

Schon steigt aus den
Auen zart der
Nebel

zwischen ersten
Sonnenstrahlen
empor -
welch ein Morgen ...

AUS UNS SELBST

Vergebens rennst Du,
In Hast verbrennst Du.

Schreite zwecklos,
ziele ins Nichts.

Versinke im Nebel
und streichle den Tau.

Denn nur aus uns selbst
erwächst die Blume,
deren Duft die Nacht bezwingt.

ENDE UND ANFANG

Jeder Weg hat ein Ende,
doch jedes Ende birgt
- einen Anfang.

Jedes Ende bringt
Verlust und Wehmut.

Aus jedem Anfang aber
wachsen Hoffnung, Träume und

- die Wurzeln
neuer Erfüllung.

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